In der Serie von unverständlichen Veranstaltungsnotizen (vgl. Aufzeichnungen aus dem Seminar „Gibt es einen Sinn des Lebens?“ bei Professorin Sibylle Krämer sowie eines Vortrags Jeanne Berrenbergs – Was ist Ethnologie?) ein neuer Beitrag vom ersten Tag der zweitägigen Konferenz Gender & Conflict – Perspectives from Geographical Research der FU Junior-Professur Geographische Entwicklungsforschung & Gender von Dörte Segebart.
Im Kontext einer vermehrt interdisziplinären Forschungspraxis wurde eingeladen, sich über die unterschiedlichen Ansätze und Methoden bei Bearbeitung des Themenkomplexes „Gender & Conflict“ Auszutauschen. Nach einer kurzen Begrüßung durch Dörte Segebart eröffnete Cathy McIlwaine das Themenspektrum mit einer Darstellung ihrer Forschungen zu „gender based violence“ (GBV) in Mittel- und dem nördlichen Südamerika.
Ihr Vortrag, unter dem Titel
‚Multi-scalar interpretations of the gendered continuum of violence‘ reflections from Colombia and Guatemala
hatte zur Aufgabe zu Verdeutlichen, wie Geschlechterdiskriminierungen und darauf aufbauende Gewalthandlungen in verschiedensten Hierarchiestufen (horizontal/empirische Kategorien und vertikal/strukturelle Kategorien) von räumlichen und gesellschaftlichen Kontexten erscheinen. Dabei sei von Gewalt im selbstverständlich öffentlichen als aber auch im privaten Raum (sphere) auszugehen. In den betrachteten Räumen (Kolumbien, Guatemala) fanden sich schließlich vielfältige Beispiele, die grausige Realität widerspiegelnd. Von nächtlichen Angsträumen und sie darstellenden Mental Maps einer Mutter und ihrer Tochter über Verhaltenscodices junger Menschen in Gang-Kreisen Bogotas in Mind Map Form bis zur großräumigen Wirkung kultureller Männlichkeitskonstruktionen war einiges dabei.
Besondere Emphase legte sie wiederholt auf den Begriff der Intersektionalität, welcher das sich überlagernde (Mit-)Wirken von gesellschaftlich gängigen Diskriminierungsbildern in Identitätskonstruktionen zu erfassen versucht. So könnten institutionelle, politische, ökonomische wie auch soziale Gewalt mit diesem Begriff im Zusammenhang untersucht werden. Es sei jedoch an diesem Punkt schon darauf hinzuweisen, dass in der späteren Diskussion breite Einigkeit darüber herrschte, dass konkrete Diskriminierungskategorien (Rassismus, Sexismus, soziale Stellung, Gesundheit, …) auch schon in den 1970er-Jahren vorhanden waren – nur sei eben ein neues Modewort gefunden worden.
Sich darüber im Klaren sich in einer Situation des „preaching to the converted“ wiederzufinden, kam sie nicht umhin auf weitere spannende Forschungsfragen hinzuweisen, die da wären:
Als Anknüpfpunkt hierfür empfahl sie die Forschungen Michael Kimmels. Andere interessante Namen schienen El Bushra, Kobayashi und Dowry zu sein.
Nach einer Diskussion zu offen gebliebenen Fragen, auf die ich nicht näher eingehen kann, sprach Claudia von Braunmühl zu
Gender dimensions of violence in international conflicts
Ihr Ansätze entnahm sie dabei ihrer Praxis als Politikwissenschaftlerin und bezog sich auf Analysen institutioneller wie auch ökonomischer Bedingungen, die gewalttätige Auseinandersetzungen, ’new‘ wars, zur Folge haben könnten. Hauptursachen seien demnach Fehler in der Entwicklungsarbeit und Arbeitslosigkeit ebenso wie Verfehlungen der Staaten in der Schaffung öffentlicher Sicherheit. Diese Erkenntnisse eingebettet in eine Betrachtung der Menschenrechte zusammen mit Erkenntnissen der Genderforschung zur Konstruktion von Maskulinitäten verwendete sie schließlich als Argumentationswerkzeuge, um Möglichkeiten des bürokratischen Gender Mainstreaming Prozesses auszuloten.
Im weiteren Verlauf der Darstellungen gab sie zu erkennen, dass sich bei Konflikteskalationen eine „gendered pattern of globalization“ zeige, in dem Sinne, dass Vorstellungen einer „ordentlichen Gender Ordnung“ Männlichkeitsbilder militarisierten, wohingegen Weiblichkeitsbilder politisierend wirkten. Es folgte eine Beschreibung der Phasen eines gewalttätigen Konflikts über den ausgebrochenen Zustand und die direkte Anschlussphase , welche Prozesse des „peace making“ sowohl als auch des „peace keeping“ und „peace building“ umfasst. Die letzten ‚Friedens‘-Phasen wurden abschließend noch einmal einer abschließenden Untersuchung unter zu Hilfe nahme der UN-Resolutionen 1325 und 1889, im weiteren Kontext 1820 und 1888, analysiert.
Gender Mainstreaming sei als bürokratischer Prozess der patriarchalen Routine demokratischer Gesellschaften unterworfen und möglicherweise demnach nicht vertrauenserweckend genug, um breitgefächerte Partizipation in Krisenregionen zu fördern. Dabei sei die Transparenz der Vereinten Nationen, welche sich in der Veröffentlichung von Zahlenmaterial zum Fortschritt des Prozesses äußert, nicht zu vergleichen mit einem jährlichen Report, der neben einer quantitativen Repräsentation ebenfalls Darstellungen der Machtbeziehungen mit einbezöge. Gendervorgänge seien noch nicht effektiv in gesetzliche Begriffe umformuliert, es sei weiterhin eine stetig konservativere Resolutionsfindung der UN zu bemängeln.
Nach einer kurzen Stärkungspause ging es zurück an die Tische, wobei auf Grund der geringen Teilnehmerzahl die Paneldiskussion in eine offene umgewandelt wurde.
Anwesende der Abschlussdiskussion waren schließlich:
Diskussion: ‚Interdisciplinary research on gender and conflict. What do we need? Where do we meet?‘
Die Diskussion setzte sich aus einer Prise gegenseitigen Interesses an verwendeten Methoden als auch einer vor den eingeladenen Disziplinen notwendigen Selbstreflexion der Geographie zusammen.
Die Darstellung der bekannten Dualität der Geographie als naturwissenschaftlicher (Physische Geographie) und geisteswissenschaftlicher (Humangeographie) Praxis führte recht schnell zu der Erkenntnis, dass sich die Geographie ihre Methoden und Instrumente mitunter schon im Selbstverständnis auch von anderen Disziplinen leiht, demnach sei die Interdisziplinarität ihr inhärent. Jedoch gebe es epistemologische Differenzen bei der Geltung von Beweisen und dem Einsatz von qualitativen und quantitativen Methoden.
Als bedeutsame Stömung innerhalb der Humangeographie wurde die Kritische Geographie vorgestellt, welche jedoch im Kontrast zur Radical Geography nicht zwingendermaßen neomarxistisch ausgerichtet sein muss. Damit gehöre sie mit ihrem breitgefächerten Themenspektrum bereits seit vielen Jahren, seit der Rezeption der Critical Geography des angloamerikanischen Raums, zum Mainstream der Geographie. Verwundbarkeitsforschung wurde angeboten, die Methodenpalette der Entwicklungsdiskurse zu bereichern.
Breite Einigkeit fand sich auch unter den Diskutierenden bezüglich post-kolonialer, intersektionaler Herangehensweisen an einen Forschungsgegenstand. Letztlich sei aber streng zu unterscheiden zwischen
theoretischer und intellektueller Analyse im transzendenten Elfenbeinturm der Wissenschaften mit ihrer feinen, sensiblen Logik
und der
praktischen Logik in aktiven Prozessen der Intervention, Beratung oder genereller Interaktion.
Was uns dazu führt, dass wir uns im realweltlichen Kontext weniger akademischen Diskursen gegenübersehen, als vielmehr einem „quest against exclusion“, welcher den Idealen der Partizipation, Gerechtigkeit, Vielfalt und Gleichheit Gehör verschaffen will. Konkrete weiterführende Gedanken waren u.a.:
Die Konferenzsprache war Englisch.